Die Dringlichkeit einer flächendeckenden Neu- und Umgestaltung der Versorgungsstrukturen aus Nutzer/-innen-Perspektive ergibt sich nicht nur aus der Beobachtung der praktischen Evidenz des Unterstützungsalltages sowie der Entwicklungen der letzten 40 Jahre, sondern zeigt sich insbesondere in Ergebnissen zahlreicher wissenschaftlicher Studien:
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Die Entscheidungsfreiheit bezüglich der eigenen Lebens- und Wohnbedingungen ist ein wesentliches Kriterium für die individuelle Lebenszufriedenheit. Eine Studie zu den Bedingungen der Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung ergab, dass die Zufriedenheit mit der Wahl der Wohnung mit der Möglichkeit der Mit- und Selbstbestimmung über die Wohnung steigt (Hanslmeier-Prockl 2009).
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Die Wünsche und Bedarfe der Betroffenen sind sehr vielschichtig und heterogen, darum werden flexible Wohnformen benötigt. Konkrete Vorstellungen sind das Bewohnen einer eigens gemieteten Wohnung mit weniger als vier Mitbewohner/-innen, um Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre zu haben (Schützhoff 2008). Weitere wichtige Aspekte sind Sozialraumorientierung und teilhabeorientierte Wohnkonzepte (ebd.) sowie die Einbindung in ein soziales Netzwerk mit Menschen ohne Behinderung (Metzler & Rauscher 2004). Die Erhebung von Wohnwünschen von Menschen mit Behinderung zeigt, dass lediglich ein Bruchteil der Befragten in einem Heim (ebd.) oder mit Angehörigen zusammen leben will (Seifert 2010, 18).
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Unzufriedenheit ergibt sich insbesondere durch eine unzureichende soziale Einbindung in das Wohnumfeld (Seifert 2010, 17). Dies betrifft alle Wohnformen und weist auf die Notwendigkeit hin, Wohn- und Betreuungsmodelle zu entwickeln, die das Wohnen in einem normalem Wohnumfeld im Quartier ermöglichen und die soziale Teilhabe fördern.
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Auch im Bereich der seelisch behinderten Menschen liegen mittlerweile zahlreiche Studien und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Wahlfreiheit und Rehabilitationserfolg vor (siehe u. a. Richter u. Steinhart 2016). Die Deinstitutionalisierung der letzten Jahrzehnte hat weder zur Inklusion noch zu einer wirksamen Integration von Menschen mit seelischen Behinderungen geführt (Richter & Hoffmann 2016, 12). Studien zeigen, dass sich erlebte Wahlfreiheit bezüglich der eigenen Lebens- und Wohnumstände, Autonomie und Inklusion vorteilhaft auswirken (Richter, Hertig & Hoffmann 2016).